Wie Trump mit dem „Mar-a-Lago Accord“ die fiskalische Zukunft der USA verkauft – und das Vertrauen der Welt verspielt.
Kommentar von Jens Baumanns

Donald Trumps zweite Präsidentschaft zählt gerade einmal hundert Tage – und doch hat sie bereits zwei strategische Pfeiler westlicher Stabilität erschüttert: erst das militärische Bündnisversprechen an Europa, nun die ökonomische Selbstverpflichtung an die globalen Finanzmärkte. Nach der NATO-Absage, die faktisch einem Rückzug aus der transatlantischen Sicherheitsarchitektur gleichkommt, folgt nun der zweite Stoß: ein fiskalpolitischer Offenbarungseid, getarnt als strategischer Befreiungsschlag.
Die Rede ist vom sogenannten „Mar-a-Lago Accord“ – einem wirtschaftspolitischen Projekt, das an Kühnheit kaum zu überbieten, an Verantwortungslosigkeit kaum zu unterbieten ist. Kernstück dieser Initiative ist der sogenannte „Mega MAGA Swap“: die Umwandlung kurzfristiger US-Staatsanleihen in sogenannte Century Bonds – Anleihen mit einer Laufzeit von 100 Jahren, zinsfrei oder nahezu unverzinst.
Was wie ein technokratischer Vorschlag aus einem Think Tank klingt, ist in Wahrheit Teil einer ideologischen Agenda: Trumps Vorstellung von Souveränität, die fiskalische Verpflichtungen zu politischen Verhandlungsmasse macht – und ökonomisches Vertrauen durch geopolitische Drohkulissen ersetzt.
Doch der Reihe nach: Was steckt hinter diesem Plan?
Der „Mar-a-Lago Accord“ ist Trumps Antwort auf das „Plaza-Abkommen“ von 1985 – allerdings ohne multilateralen Konsens, ohne ökonomische Nachhaltigkeit, ohne institutionelle Rückbindung. Stattdessen: eine bilaterale Drohkulisse, verknüpft mit der Frage, wer amerikanische Sicherheit noch verdient. Wer die Regeln des Spiels nicht akzeptiert – etwa den Tausch bestehender US-Anleihen gegen Langläufer mit ruinöser Rendite – dem droht, ganz offen, die tarifäre Vergeltung oder gar der militärische Entzug von Schutzgarantien.
Es ist eine Strategie, wie man sie sonst nur aus der Schuldenpolitik von Schwellenländern kennt – Argentinien lässt grüßen. Doch Trump verkauft sie als nationale Notwendigkeit und Teil seiner fortgesetzten MAGA-Kampagne. Die Argumentation folgt einem simplen Muster: Die USA seien überschuldet, die Zinslast erdrückend, und ausländische Gläubiger müssten sich an der „Lastenteilung“ beteiligen. Dass die USA ihre Schulden in eigener Währung bedienen können, fällt in dieser Logik unter „Details“.
Warum erscheint dieser Schritt für Trump sinnvoll?
Weil er kurzfristig wirkt. Weil er fiskalischen Spielraum eröffnet, ohne die eigene Wählerbasis mit schmerzhaften Einschnitten zu konfrontieren. Und weil er mediale Aufmerksamkeit schafft – das Einzige, was Trump kontinuierlich interessiert. Für ihn ist dieser „Schuldenplan“ kein ökonomisches Instrument, sondern ein Machtmittel: Er soll fiskalische Flexibilität schaffen, geopolitische Loyalitäten erzwingen und gleichzeitig die Rolle der USA als unverzichtbare Ordnungs- und Kreditmacht behaupten. Doch genau dieses Kalkül ist falsch.
Der Schaden entsteht nicht später – er beginnt jetzt.
Ein solcher Schuldentausch würde das Vertrauen in US-Staatsanleihen beschädigen – die zentrale Säule des globalen Finanzsystems. Institutionelle Investoren, Zentralbanken, Versicherungen: Sie alle halten US-Treasuries nicht wegen ihrer Rendite, sondern wegen ihrer Stabilität. Wer daran rührt, rührt an der stillen Grundlage globaler Ordnung. Es ist nicht der Coupon, der zählt – es ist die Verlässlichkeit.
Was Trump hier versucht, ist nicht fiskalische Innovation, sondern Vertrauensvernichtung. Wer 100 Jahre lang keine klare Rückzahlungsperspektive bietet, bietet auch heute keinen Grund, auf ihn zu setzen. Das Risiko liegt nicht in der Zukunft – es materialisiert sich in Form steigender Zinsforderungen, fallender Nachfrage und wachsender Skepsis. Der Preis ist nicht hypothetisch – er ist real. Zwei Pfeiler amerikanischer Glaubwürdigkeit – beide beschädigt.
Mit seinem „Pay-to-Play“-Modell für die NATO hat Trump bereits das transatlantische Sicherheitsversprechen zur Verhandlungsmasse gemacht. Nun tut er es mit der fiskalischen Verpflichtung. Der einstige Garant der Weltordnung betreibt ihre Demontage – mit dem Ziel, kurzfristige Vorteile zu sichern, und mit der Konsequenz, langfristige Stabilität zu opfern. Wer so agiert, ist kein Partner mehr – er ist ein Risiko.
Fazit: Der „Mar-a-Lago Accord“ ist kein Wirtschaftskonzept – er ist ein geopolitisches Symptom.
Er steht für eine amerikanische Außen- und Finanzpolitik, die sich nicht mehr über Vertrauen definiert, sondern über Druck. Für eine Macht, die bereit ist, ihre eigene Kreditwürdigkeit zu verpfänden – für den Schein fiskalischer Souveränität. Und für einen Präsidenten, der glaubt, das nächste Jahrhundert sei ein Pfand, das man heute einlösen kann. Doch das Vertrauen, das hier aufs Spiel gesetzt wird, wird sich nicht in 100 Jahren zurückgewinnen lassen. Vielleicht nie.