Wer hat Schuld am Aufstieg der AfD?

Eine Analyse ohne Pathos, aber mit Verantwortung

Kommentar von Jens Baumanns


Autorenbemerkung: Am 9. Mai 2025 ist Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren verstorben. Dieser Kommentar war unabhängig davon geplant – doch ihre Haltung, ihr Appell an Vernunft und Menschlichkeit, verdienen gerade in diesen Tagen mehr Aufmerksamkeit denn je.


Gestern, am 9. Mai 2025, ist Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren gestorben. Sie war eine der letzten Überlebenden der Schoah – und eine der wenigen, die der deutschen Gesellschaft bis zuletzt nicht mit Anklage, sondern mit Appell begegnete. Ihre Worte zielten nie auf Schuldzuweisung, sondern auf Verantwortung. Nie auf Ausgrenzung, sondern auf Menschlichkeit.

Gerade in einer Zeit, in der sich der politische Diskurs zunehmend in Empörung verliert und die Polarisierung schneller wächst als die Problemlösung, sind ihre Worte mehr als ein moralischer Hinweis: Sie sind Maßstab.

Der folgende Kommentar versucht nicht, Margot Friedländers Botschaft zu interpretieren. Aber er steht im Wissen darum, dass politische Analyse nicht genügt, wenn sie sich nicht an einem Grundsatz orientiert: Anständige Gesellschaften beginnen dort, wo Menschen einander nicht abschreiben – sondern zuhören. Nur so können wir verhindern, dass sich die Vergangenheit wiederholt.


Es ist eine dieser Fragen, die in politischen Talkshows gern aufgeworfen, aber selten ernsthaft beantwortet werden: Wer trägt die Verantwortung für den Aufstieg der AfD? Die reflexhafte Antwort lautet: „die anderen“. Die Grünen, weil sie zu belehrend sind. Die CDU, weil sie zu angepasst ist. Die Medien, weil sie zu viel berichten – oder zu wenig differenzieren. Auch „der Osten“ muss oft herhalten, als wäre dort ein demokratischer Sonderfall ausgebrochen. Doch der eigentliche Befund liegt tiefer – und unbequemer.

Die AfD ist nicht trotz, sondern wegen des Zustands der etablierten Politik so stark geworden. Sie ist das Produkt eines systemischen Defizits – nicht dessen Ursache.

Eine Republik auf Verschleiß – das materielle Fundament bröckelt

Zunächst zur Realität, die sich nicht mehr übersehen lässt: Der physische Zustand der Bundesrepublik ist ein Spiegel ihres politischen. Brücken sind marode und kollabieren, die Deutsche Bahn schreibt Rekorde, aber in Entschädigungszahlungen, Schulgebäude verfallen. Die Versäumnisse sind nicht neu, sie summieren sich. Jahrzehntelang wurden Innovationen durch Bestandsverwaltung ersetzt – ein Betriebsmodus, der gut funktioniert, solange nichts Außergewöhnliches passiert. Doch nun trifft der Normalbetrieb auf eine Gleichzeitigkeit multipler Krisen – Migration, Inflation, Krieg, Klimawandel – und plötzlich wird sichtbar, wie wenig dieses Land auf Belastung ausgelegt ist.

Der Verfall der Infrastruktur ist keine Metapher, sondern politischer Alltag. Wer erlebt, dass der Staat weder zuverlässig organisiert noch zeitnah reagiert, verliert das Vertrauen – nicht nur in Institutionen, sondern in deren Vertreter. Besonders dann, wenn zugleich immer weniger im eigenen Portemonnaie ankommt, während der Staat sich zur Hälfte am Einkommen bedient – aber nur noch ein Viertel davon sichtbar funktioniert.

Die Verschiebung des politischen Koordinatensystems – oder: Wie sich die Mitte plötzlich rechts wiederfand

Parallel dazu hat sich das politische Koordinatensystem nach links verschoben – nicht, weil rechte Kräfte stärker geworden wären, sondern weil die klassischen Volksparteien sich aus Unsicherheit selbst entkernt haben. Lange wurde versucht, gesellschaftliche Konfliktthemen durch semantische Befriedung zu entschärfen: Migration wurde zu „Vielfalt“, wirtschaftlicher Strukturwandel zu „Transformation“, Energieunsicherheit zu „Herausforderung“. Die reale Zumutung verschwand jedoch nicht – sie wurde lediglich sprachlich verbrämt.

In dieser Gemengelage wurde jeder Versuch, Probleme offen zu benennen, moralisch problematisiert. Wer über Kontrollverlust an den Grenzen sprach, war schnell „rechtsoffen“. Wer den sozialen Sprengstoff von Parallelgesellschaften thematisierte, wurde als „populistisch“ etikettiert.

Wer die AfD vermeiden will, muss sich mit genau diesen Themen sachlich auseinandersetzen – nicht mit dem Sprechzettel der Empörung, sondern mit nüchternem Realitätssinn. Kein Wunder, dass sich der Konservatismus ein neues Zuhause suchte – und leider ausgerechnet bei denen fand, wo Heimat nicht als Verantwortung, sondern als Abgrenzung verstanden wird.

Die politische Entkopplung – wenn Verwaltung an Repräsentation scheitert

Viele Bürger erleben die Politik nicht mehr als gestaltende Kraft, sondern als ritualisierter Selbstzweck. Es geht nicht mehr um Richtungsentscheidungen, sondern um Prozesspflege. Der Eindruck, dass der Staat in entscheidenden Fragen nicht mehr handlungsfähig ist, hat sich tief verfestigt. Migration, Energiepreise, Bildung, Infrastruktur, innere Sicherheit – allesamt Themen, in denen seit Jahren über Konzepte gesprochen wird, ohne dass sich strukturell etwas verbessert.

Der Wunsch nach einer anderen Politik ist da – und er ist legitim. Die AfD gelingt es, ihn kommunikativ zu besetzen, auch wenn sie politisch dafür nicht qualifiziert ist. Dass sie dennoch so viele Stimmen auf sich vereint, ist kein Beleg für deren Radikalisierung, sondern für die Kapitulation der übrigen Parteien vor den eigenen Versäumnissen.

Die fatale Gleichsetzung von Kritik und Gesinnung

Hinzu kommt: Der öffentliche Diskurs hat sich in eine Sackgasse manövriert, in der Kritik an Regierungshandeln regelmäßig als Indikator fragwürdiger Gesinnung gelesen wird. Die moralische Formatierung des Diskurses – stets mit dem Verweis auf „Haltung“ und „Demokratie“ – führt paradoxerweise zu deren Aushöhlung. Eine Demokratie lebt nicht von Einigkeit, sondern von Widerspruchsfähigkeit. Doch wer den Eindruck vermittelt, dass jede Kritik an Migrationspolitik oder Energiepolitik ein Einstieg in den Rechtsextremismus sei, darf sich über Polarisierung nicht wundern.

In einer solchen Atmosphäre ist es fast zwangsläufig, dass eine Partei wie die AfD als Katalysator wirkt: nicht, weil sie besonders überzeugend wäre – sondern weil sie in einem diskursiv versperrten Raum schlicht die verbliebene Ausdrucksform des Protests ist.

Gesellschaftliche Sättigung – Wohlstand ohne Richtung

Ein weiterer Aspekt, der kaum thematisiert wird: Deutschland befindet sich, bei allen aktuellen Krisen, weiterhin in einer langen Wohlstandsphase, obgleich der sich zuspitzenden ungleichen Vermögensverteilung. Doch Sättigung erzeugt keinen politischen Konsens, sondern Orientierungslosigkeit. In Schweden, in Finnland, in Dänemark zeigte sich das gleiche Phänomen: Je länger Stabilität währte, desto eher kippten Wähler aus Langeweile, Frustration oder schlichtem Überdruss ins Lager der Unzufriedenen.

Man will etwas anderes – nicht, weil man weiß, was man will, sondern weil man sich vom Status quo nichts mehr verspricht. Die politische Ordnung erscheint vielen als starr, technokratisch und unbeteiligt. In dieser Leerstelle wächst der Wunsch nach klaren Identitäten – und der Rückzug ins Nationale ist dabei kein Ausnahmephänomen, sondern historisch das Regelverhalten von Gesellschaften in Überforderungslagen.

Fazit: Die AfD ist kein Unfall, sondern die Quittung

Wer also wissen will, wer die AfD groß gemacht hat, sollte nicht nur nach Chemnitz oder Cottbus schauen – sondern nach Berlin-Mitte. In die Parteizentralen, in die Redaktionsräume, in die Selbstgewissheit des politischen Betriebes. Die AfD ist nicht die Ursache, sie ist die Konsequenz. Sie ist nicht der Riss – sie ist das Echo.

Wer sie klein halten will, muss aufhören, sie groß zu reden – und anfangen, wieder Politik zu machen, die diesen Namen verdient. Politik, die nicht belehrt, sondern erklärt. Die nicht symbolisiert, sondern strukturiert. Die Probleme löst – statt Empörung zu kultivieren. Denn der Vertrauensverlust ist nicht aus dem Nichts gekommen, er wurde sich redlich verdient.

Was es jetzt braucht, ist nicht noch mehr Aufregung, sondern mehr Aufrichtigkeit. Weniger Gegeneinander, mehr Miteinander; und vielleicht vor allem: mehr Margot Friedländer.

Ihr Aufruf zur Vernunft war kein Relikt vergangener Zeiten, sondern eine Einladung an uns alle, das Gespräch nicht aufzugeben – über Differenzen hinweg, im Sinne des Miteinanders. Ihr Vermächtnis verpflichtet. Es ist an uns, es fortzuführen.


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Kanzler mit Kleingeld

Über eine Wahl, die alles sagt, was man wissen muss.

Kommentar von Jens Baumanns

Prolog: Kanzlerwahl – ein Lehrstück in drei Akten

Bühne: Deutscher Bundestag. Großer Saal, blendend ausgeleuchtet. In den Reihen: kostümierte Fraktionen, Blicke starr nach vorn, die Hände auf Zählung eingestellt. Flüstern hinter vorgehaltener Hand, nervöses Korrigieren der Sitzordnung. Die Republik hält den Atem an.
Regieanweisung: Leichtes Rascheln im Zuschauerraum – die Bevölkerung schaut per Liveticker zu.

Vorhang auf für das Hohe Haus der großen Erwartungen. Die Inszenierung: Kanzlerwahl – Ein Lehrstück in drei Akten. Besetzt mit bekannten Namen, altgedienten Mienen und einem Hauptdarsteller, der sich seiner Rolle sicher ist. Die Bühne ist bereitet, die Dramaturgie bekannt: eine neue Legislatur beginnt, aber diesmal bröckelt der Putz schon bei der Premiere.

Der designierte Kanzler wartet auf seinen Einsatz. Die Koalition spielt sich warm, murmelt Textzeilen von Einigkeit und Aufbruch. Doch zwischen den Zeilen zittert es. Kein Schwung, kein Applaus – nur gespannte Erwartung. Dann der erste Auftritt: 328 Abgeordnete hätten ihn tragen sollen. Nur 310 tun es. Sechs Zeilen fehlen im Skript. Schnitt. Pause. Ratlosigkeit übernimmt die Hauptrolle.

Ein Raunen geht durchs Land. Auf den Bildschirmen draußen blinkt: „Merz durchgefallen – Beratung folgt.“ Der Vorhang schließt sich. Vorerst.

Was folgt, ist keine Inszenierung mehr – sondern Realsatire. Das Plenum verschiebt die Entscheidung auf morgen, während draußen Millionen arbeiten. Erst als die Außenwirkung unhaltbar wird, als selbst die Tagesschau-Zuschauer das Drehbuch nicht mehr verstehen, kommt die Kehrtwende. Geschäftsordnung? Spontan geändert. Zweiter Akt: improvisiert.

Jetzt bitte alle wieder einsteigen, Szenenwechsel. Kanzlerwahl, die zweite. Diesmal mit Ergebnis. 325 Stimmen. Applaus? Vom Tonband. Die Szene bleibt stehen wie eingefroren – niemand weiß, ob sie wirklich weitergeht.

Ein Regierungsbeginn auf Kante

Was sich heute zutrug, war kein Neuanfang. Es war ein Signal der Schwäche. Friedrich Merz wurde zum Kanzler gewählt – neun Stimmen über der Kanzlermehrheit, aber drei unter der Koalitionsstärke. Was nüchtern klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein Lehrstück über die brüchige Statik dieser Regierung.

Denn schon im ersten Durchgang war sie gefallen – an sich selbst. Wer mit 328 Abgeordneten ins Rennen geht und mit 310 scheitert, hat kein Problem mit der Opposition, sondern mit der eigenen Koalition. Das Vertrauen fehlt – und es wird so schnell nicht zurückkommen.

Man kann sich ausmalen, wie die kommenden Monate aussehen werden: Jeder Gesetzesentwurf wird zur Vertrauensfrage, jede namentliche Abstimmung zum Nervenspiel. Ja, formal reicht oft die einfache Mehrheit der Anwesenden. Aber politisch heißt das: regieren im Ausnahmezustand. Keine Luft für Dissens, kein Platz für Profil. Eine Regierung auf Zählbetrieb – getrieben, nicht führend.

Die Grünen: Die Kunst, alles mitzunehmen und trotzdem zu verweigern

Am absurdesten aber bleibt das Verhalten der Grünen. Die Partei, die zuvor Milliarden aus dem Koalitionskompromiss erpresste und beim beschlossenen Schuldenpaket zulangte, als wäre das politische Budget ein All-you-can-eat-Buffet: Förderzusagen, Haushaltslinien, ideologische Duftmarken. Kaum war der letzte Paragraf trocken, wurde der Rückzug in die Opposition verkündet. Die Erklärung? Man wolle nicht Teil einer Regierung sein, die man gerade noch mitverhandelt hat. Es ist die Quadratur des politischen Opportunismus: zuerst mitgestalten, dann empört wegsehen.

Opposition wird zur Komfortzone. Verantwortung ist gut – solange sie in der Regierung bleibt. So simuliert man Prinzipientreue, ohne den Preis für Kompromisse zahlen zu müssen. Was bleibt, ist eine Haltung – aber keine Politik.

Die SPD: Macht aus Gewohnheit, nicht aus Mandat

Nicht minder bizarr ist der Auftritt der SPD. Eine Partei, die mit einem historischen Tief aus der Wahl kam, die gesellschaftliche Mitte an die CDU und die Arbeiterschicht an die AfD verloren hat – und dennoch Ministerien besetzt, als wäre der Wahltag ein Betriebsausflug gewesen. Wer so wenig Rückhalt hat, sollte leiser auftreten. Stattdessen verhalten sich die Genossen wie ein Mieter, der nach fristloser Kündigung trotzdem noch Ansprüche auf die Wohnungseinrichtung samt Stellplatz anmeldet.

Das Problem ist nicht die Zahl der SPD-Minister – es ist der Mangel an Legitimation. Olaf Scholz hat dieses Land über Jahre hinweg nicht regiert, sondern verwaltet. Nun soll seine Partei als tragende Säule einer neuen Regierung dienen? Es ist, als würde man ein marodes Dach neu decken, während das Fundament längst im Erdreich versinkt.

CDU: Zwischen moralischer Symbolik und praktischer Verantwortungslosigkeit

Die CDU hat nun ihren Kanzler: Hat ihn durchgebracht. Irgendwie, aber eben nicht mit Kraft, sondern mit Kalkül. Friedrich Merz steht nun an der Spitze einer Koalition, die ihn duldet, aber nicht trägt. Es ist der Sieg eines Kandidaten, der alles richtig gemacht hat – außer, Begeisterung zu erzeugen.

Wer eine Mehrheit will, muss sie sich holen. Auch wenn das bedeutet, mit der AfD zu reden. Nicht weil man die AfD gutheißen muss – Gott bewahre – sondern weil es Demokratie nicht ist, wenn man sich in einer Endlosschleife der Empörung windet, während das Land brennt. Politik ist kein Erbauungstheater: Wer gestalten will, muss sich die Hände schmutzig machen dürfen – statt ständig die weiße Weste der „Brandmauer“ zu zeigen, hinter der längst das Land in Flammen steht.

Ein Parlament, das sich selbst ausbremst – und ein Europa, das weiterzieht

Der Bundestag tritt in eine neue Legislatur, aber es fühlt sich an wie das letzte Kapitel eines politischen Romans, den niemand zu Ende schreiben will. Schon heute ist klar: Die kommenden Jahre werden keine Phase des Aufbruchs. Sie werden ein administrativer Eiertanz, ein parlamentarisches Mikadospiel: Wer sich zuerst, und vor allem, in die falsche Richtung bewegt, verliert.

Diese knappen Ergebnisse verdeutlichen die brüchige Basis der neuen Regierung und werfen einen Schatten auf die zukünftige Regierungsarbeit. Die Koalition wird bei jeder Abstimmung um Mehrheiten ringen müssen, was die Arbeitsfähigkeit des Bundestags erheblich belasten dürfte. Die Kanzlerwahl hat somit nicht nur einen neuen Regierungschef hervorgebracht, sondern auch die strukturellen Schwächen der aktuellen politischen Konstellation offenbart – sichtbar, zählbar, dokumentiert. Ein mahnender Ausblick auf die Herausforderungen, die das Parlament in den kommenden Jahren zu bewältigen hat. Nicht irgendwo am Horizont, sondern direkt in den eigenen Reihen.

Wie das Ganze auf die breite Bevölkerung wirkt, die diesen ersten Wahlgang im Liveticker der Tagesschau verfolgt hat? Es grenzt an Arbeitsverweigerung. „Merz durchgefallen“ – so die nüchterne Notiz. Dann: Beratungspause. Eine neue Wahl? Frühestens morgen, hieß es. Man müsse sich erst sortieren. Während draußen Bürger Steuern zahlen und drinnen Abgeordnete ihre Verantwortung vertagen.

Doch offenbar hat man im Bundestag gemerkt, dass man dem Steuerzahler diese Realsatire nicht länger zumuten kann. Also wurde die Geschäftsordnung im Eilverfahren angepasst – plötzlich war ein zweiter Wahlgang doch noch am selben Tag möglich. Einstimmig. Man möchte fast meinen: Wenn es um den eigenen Gesichtsverlust geht, kann das Parlament plötzlich sehr effizient sein.

Währenddessen fragt sich das Ausland, ob Deutschland gerade einen Regierungschef wählt oder ein kollektives Kommunikationsseminar veranstaltet. In Brüssel, Paris und Warschau schaut man irritiert nach Berlin – oder gar nicht mehr. Frankreich hat längst damit begonnen, das deutsche Gedeck am Tisch der Weltpolitik abzuräumen. Die Mahnung aus Paris war deutlich: Wer nicht kommt, fliegt raus und während Merz seine Mehrheit zusammenzählt, übernimmt Macron längst die Regie. Der neue Chefkellner Europas hat das Signal verstanden: Der deutsche Stammgast kommt wohl nicht mehr.

Was der Rest der Welt über diesen Wahlprozess denkt? Ich will es lieber gar nicht wissen.

Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung, keinen Debattierclub für moralische Überlegenheit. Demokratie heißt: Mehrheiten organisieren, nicht Haltung zelebrieren. Die Grünen spielen sich auf wie das gute Gewissen der Republik, während sie das Land sehenden Auges in eine Regierungsunfähigkeit treiben. Die SPD sonnt sich im Glanz vergangener Größe und die CDU zögert noch, das Offensichtliche zu tun: Machtpolitisch ist es Zeit, auch über bislang Undenkbares nachzudenken – nicht aus frenetischer Unterstützung und Liebe zur AfD, sondern aus Pragmatismus. Nichts geringeres, als der Pflicht für unser Land.

Was heute passiert ist, war nicht nur ein trauriges Schauspiel – es war ein gefährliches. Denn in Zeiten multipler Krisen hat Demokratie keine Zeit für kindische Spielchen. Sie braucht keine Bedenken-, sondern Entscheidungsträger.

Der Vorhang fällt. Nur eins ist sicher: Der dritte Akt steht uns noch bevor.


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